CRM für Lebensretter
Wie lässt sich die chaotische Struktur einer Hilfsorganisation in ein leistungsstarkes CRM-System integrieren? Die Hagener Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. fand die Antwort in einer kompletten Neuentwicklung.
Über eine Million Mitglieder spenden regelmäßig an die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., davon rund 550.000 allein in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommen hunderttausende Kunden in verschiedensten Bereichen - vom Krankentransport über warmes Essen und Pflegedienstleistungen bis hin zum Telefonservice und Kindergarten. Für sie alle bestanden bis vor kurzem separate Datenbanken an unterschiedlichen Standorten: Im Extremfall konnte es ein einziger Kunde auf zwei Dutzend Einträge bringen.
Dass mit diesem Daten-Gomorrha endlich Schluss sein müsse, stand für Dietmar Link schon lange fest: So begann bereits vor vier Jahren das "Projekt CRM" unter Federführung des Regionalverbands Hagen / Ennepe-Ruhr. Doch die klassischen Standard-Softwares stießen angesichts der individuellen Verbandsstruktur schnell an ihre Grenzen: "In normalen Industrieunternehmen sind Kunden, Produkte und Hierarchien halbwegs klar definiert", erläutert Udo Röder vom Softwarehaus RTC Computer GmbH: "Bei den Johannitern fanden wir hingegen unterschiedlichste Prozesse, zahlreiche formal eigenständige Verbände mit eigenen Strukturen, und eine unpräzise dezentrale Datenhaltung vor".
Zudem ist der durchschnittliche Johanniter-Kunde im reiferen Alter, was sich insbesondere durch eine hohe Fluktuation und viele Datenergänzungen bemerkbar macht. "In sechs Monaten ändert sich jeder einzelne Datensatz rund 20-mal!", illustriert Röder das Ausmaß der Herausforderung.
Die Lösung heißt "eNikCRM": Eine komplette Neuentwicklung im modernen XP-Look, programmiert auf SQL-Basis. Erste und wichtigste Aufgabe von "eNikCRM" ist die Zusammenführung der verschiedenen Datenbanken und Zettelkästen in einer zentralen Struktur. So reduziert sich die zeitraubende Adresspflege dramatisch, während gleichzeitig dem Außendienstmitarbeiter Filteroptionen für "cross selling"-Kontakte an die Hand gegeben werden. Zudem können Vertrieb und Service ihre Kundenkontakte dokumentieren, für Kollegen aus anderen Verbänden offen legen und nicht zuletzt aussagekräftigere interne Statistiken erstellen. "Am Ende haben eigentlich alle etwas davon", freut sich Regionalvorstand Dietmar Link: "Reibungsverluste werden verringert, die Kundenzufriedenheit und Profitabilität erhöht, und das Controlling erleichtert".
Der Weg dahin war allerdings technisch äußerst beschwerlich. Die Produktsparte "Hausnotruf" (HNR) betreibt eine eigene Datenbank, die mit einem ausgeklügelten Alarmierungssystem gekoppelt ist. Da dort auch zahlreiche sensible Patientendaten schlummern, schien eine Migration der HNR-Daten ins neue System nicht angebracht. Stattdessen entschied man sich schließlich für mehrere Konnektoren, die an die bestehende HNR-Datenbank anknüpfen und von dort nur die relevanten Kundendaten übernehmen. Zudem wachen exakt definierte Zugriffsrechte darüber, dass der Datenschutz gewährleistet bleibt und nur bestimmte Mitarbeiter der betreuenden Verbände an die sensiblen Informationen gelangen.
Ein weiterer Drittsystem-Konnektor knüpft an die interne Kundenbank der deutschen Parkinson-Vereinigung (dPV) an: Einem dBase-System. Die Notrufzentrale der Hagener Johanniter erteilt im Rahmen einer Servicekooperation auch telefonische Auskünfte, etwa über Parkinson-Medikamenten und behandelnde Fachärzte. "Da ist es natürlich von unschätzbarem Vorteil, wenn unsere Mitarbeiter mit dem Telefonklingeln auch gleich den Namen des Anrufers erfahren", so Link. Der Datenabgleich zu den Drittsystemen findet rund zehnmal pro Stunde statt, sodass in der Praxis kaum Diskrepanzen auftreten dürften.
Besonderen Wert legten die Entwickler jedoch auf eine Verbesserung des Work-Flows auf Verbandsebene: Eine integrierte Arbeitsoberfläche hilft dem Mitarbeiter bei der Projektdokumentation und nimmt ihm Termin-, Dokumenten- und Nachrichten-Verwaltung ab. Dabei synchronisiert "eNikCRM" z.B. mit Microsoft Outlook, damit Termine und Aufgaben auch von Handhelds automatisch übertragen werden können. Im Gegensatz zu anderen Softwarelösungen bucht "eNikCRM" dabei Kundentermine selbstständig auch gleich auf dem Datenblatt des Kunden, sodass der Call-Center-Agent mit einem Blick vom geplanten Außentermin des Vertriebsmitarbeiters erfährt. Gleichzeitig hilft der Kalender auch bei der Ressourcenplanung: Durch entsprechende Filterfunktionen kann etwa der Belegungsplan von Sitzungsräumen oder Dienstwagen abgerufen und die Urlaubsplanung unterstützt werden.
Weitere Details umfassen z.B. automatische Serienbrief- und Vertragsdruckoptionen, EDV-gestützten Anrufaufbau und Anwesenheitsstatus. Außerdem können sich die Mitarbeiter direkt aus "eNikCRM" heraus Nachrichten senden und Aufgaben an Kollegen delegieren. Auch die ausgeklügelten Widervorlageoptionen stießen bereits auf breite Resonanz - und unerledigte Aufgaben werden farbig markiert. "Im Vordergrund steht bei uns stets der Gedanke, dass eine Software den Mitarbeiter zwar unterstützen soll, aber nicht bevormunden darf", betont Dietmar Link. Daher sei vor allem dem Bottom-Up-Prinzip breite Rechnung getragen worden: Unbedingte Kompetenz- und Verantwortungserhaltung der regionalen Einheiten. Das drückt sich selbst in der Datenspeicherung aus: Die Johanniter entschieden sich für den Aufbau eines dezentralen VPN-Netzes, mit dem die 23 separaten Server untereinander kommunizieren. "So kann auch im Falle einer Leitungsunterbrechung weitergearbeitet werden, und die Verbindungsgeschwindigkeit leidet selbst zu Stoßzeiten nicht", preist Udo Röder mit Blick auf die webbasierten Alternativen.
Das ist jedoch noch nicht alles: Das zweite Rückrad von "eNikCRM" bildet eine integrierte Wissensdatenbank namens "eNikKnowledge". Hier können Vorlagen wie z.B. Musterbriefe, aber auch komplette Gesetzestexte und Dienstvorschriften abgespeichert werden. Vor allem das Servicecenter und die Notrufzentrale erhalten immer wieder telefonische Anfragen, die selbst für erfahrene Mitarbeiter eine Herausforderung darstellen. Künftig soll Schluss mit hektischer Papier- und Google-Suche sein: Mit welcher Diakoniestation kooperieren die Johanniter in Berchtesgaden, und welche Nebenwirkungen hat das Krebsmedikament? Ein Klick in "eNikKnowledge" verrät die Antwort selbst dem unerfahrenen Zivildienstleistenden in Hamburg oder Dresden. Auch aktuelle Sonderaktionen einzelner Verbände, etwa kurzfristige Rabatte oder Preissenkungen, können in der Datenbank abgerufen werden.
Gepflegt wird "eNikKnowledge" nach dem Vorbild der großen Nachrichtenagenturen: Beiträge kann grundsätzlich jeder autorisierte Nutzer verfassen, die jedoch nach dem Vier-Augen-Prinzip noch von einem Administrator gegengelesen und freigeschaltet werden.
Auch wenn die Einführung von "eNikCRM" noch nicht im ganzen Landesverband NRW abgeschlossen ist, ziehen die ersten Verbände bereits eine sehr positive Bilanz. Nach gut 14 Monaten intensiver Tests ins seinem Verband resümmiert Dietmar Link erfreut: "Professionelles CRM mag sich zwar vielleicht nie rechnen, aber es zahlt sich garantiert aus!"
Julian J. Rossig / knowledge incorporated
jj@rossig.net
Über eine Million Mitglieder spenden regelmäßig an die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., davon rund 550.000 allein in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommen hunderttausende Kunden in verschiedensten Bereichen - vom Krankentransport über warmes Essen und Pflegedienstleistungen bis hin zum Telefonservice und Kindergarten. Für sie alle bestanden bis vor kurzem separate Datenbanken an unterschiedlichen Standorten: Im Extremfall konnte es ein einziger Kunde auf zwei Dutzend Einträge bringen.
Dass mit diesem Daten-Gomorrha endlich Schluss sein müsse, stand für Dietmar Link schon lange fest: So begann bereits vor vier Jahren das "Projekt CRM" unter Federführung des Regionalverbands Hagen / Ennepe-Ruhr. Doch die klassischen Standard-Softwares stießen angesichts der individuellen Verbandsstruktur schnell an ihre Grenzen: "In normalen Industrieunternehmen sind Kunden, Produkte und Hierarchien halbwegs klar definiert", erläutert Udo Röder vom Softwarehaus RTC Computer GmbH: "Bei den Johannitern fanden wir hingegen unterschiedlichste Prozesse, zahlreiche formal eigenständige Verbände mit eigenen Strukturen, und eine unpräzise dezentrale Datenhaltung vor".
Zudem ist der durchschnittliche Johanniter-Kunde im reiferen Alter, was sich insbesondere durch eine hohe Fluktuation und viele Datenergänzungen bemerkbar macht. "In sechs Monaten ändert sich jeder einzelne Datensatz rund 20-mal!", illustriert Röder das Ausmaß der Herausforderung.
Die Lösung heißt "eNikCRM": Eine komplette Neuentwicklung im modernen XP-Look, programmiert auf SQL-Basis. Erste und wichtigste Aufgabe von "eNikCRM" ist die Zusammenführung der verschiedenen Datenbanken und Zettelkästen in einer zentralen Struktur. So reduziert sich die zeitraubende Adresspflege dramatisch, während gleichzeitig dem Außendienstmitarbeiter Filteroptionen für "cross selling"-Kontakte an die Hand gegeben werden. Zudem können Vertrieb und Service ihre Kundenkontakte dokumentieren, für Kollegen aus anderen Verbänden offen legen und nicht zuletzt aussagekräftigere interne Statistiken erstellen. "Am Ende haben eigentlich alle etwas davon", freut sich Regionalvorstand Dietmar Link: "Reibungsverluste werden verringert, die Kundenzufriedenheit und Profitabilität erhöht, und das Controlling erleichtert".
Der Weg dahin war allerdings technisch äußerst beschwerlich. Die Produktsparte "Hausnotruf" (HNR) betreibt eine eigene Datenbank, die mit einem ausgeklügelten Alarmierungssystem gekoppelt ist. Da dort auch zahlreiche sensible Patientendaten schlummern, schien eine Migration der HNR-Daten ins neue System nicht angebracht. Stattdessen entschied man sich schließlich für mehrere Konnektoren, die an die bestehende HNR-Datenbank anknüpfen und von dort nur die relevanten Kundendaten übernehmen. Zudem wachen exakt definierte Zugriffsrechte darüber, dass der Datenschutz gewährleistet bleibt und nur bestimmte Mitarbeiter der betreuenden Verbände an die sensiblen Informationen gelangen.
Ein weiterer Drittsystem-Konnektor knüpft an die interne Kundenbank der deutschen Parkinson-Vereinigung (dPV) an: Einem dBase-System. Die Notrufzentrale der Hagener Johanniter erteilt im Rahmen einer Servicekooperation auch telefonische Auskünfte, etwa über Parkinson-Medikamenten und behandelnde Fachärzte. "Da ist es natürlich von unschätzbarem Vorteil, wenn unsere Mitarbeiter mit dem Telefonklingeln auch gleich den Namen des Anrufers erfahren", so Link. Der Datenabgleich zu den Drittsystemen findet rund zehnmal pro Stunde statt, sodass in der Praxis kaum Diskrepanzen auftreten dürften.
Besonderen Wert legten die Entwickler jedoch auf eine Verbesserung des Work-Flows auf Verbandsebene: Eine integrierte Arbeitsoberfläche hilft dem Mitarbeiter bei der Projektdokumentation und nimmt ihm Termin-, Dokumenten- und Nachrichten-Verwaltung ab. Dabei synchronisiert "eNikCRM" z.B. mit Microsoft Outlook, damit Termine und Aufgaben auch von Handhelds automatisch übertragen werden können. Im Gegensatz zu anderen Softwarelösungen bucht "eNikCRM" dabei Kundentermine selbstständig auch gleich auf dem Datenblatt des Kunden, sodass der Call-Center-Agent mit einem Blick vom geplanten Außentermin des Vertriebsmitarbeiters erfährt. Gleichzeitig hilft der Kalender auch bei der Ressourcenplanung: Durch entsprechende Filterfunktionen kann etwa der Belegungsplan von Sitzungsräumen oder Dienstwagen abgerufen und die Urlaubsplanung unterstützt werden.
Weitere Details umfassen z.B. automatische Serienbrief- und Vertragsdruckoptionen, EDV-gestützten Anrufaufbau und Anwesenheitsstatus. Außerdem können sich die Mitarbeiter direkt aus "eNikCRM" heraus Nachrichten senden und Aufgaben an Kollegen delegieren. Auch die ausgeklügelten Widervorlageoptionen stießen bereits auf breite Resonanz - und unerledigte Aufgaben werden farbig markiert. "Im Vordergrund steht bei uns stets der Gedanke, dass eine Software den Mitarbeiter zwar unterstützen soll, aber nicht bevormunden darf", betont Dietmar Link. Daher sei vor allem dem Bottom-Up-Prinzip breite Rechnung getragen worden: Unbedingte Kompetenz- und Verantwortungserhaltung der regionalen Einheiten. Das drückt sich selbst in der Datenspeicherung aus: Die Johanniter entschieden sich für den Aufbau eines dezentralen VPN-Netzes, mit dem die 23 separaten Server untereinander kommunizieren. "So kann auch im Falle einer Leitungsunterbrechung weitergearbeitet werden, und die Verbindungsgeschwindigkeit leidet selbst zu Stoßzeiten nicht", preist Udo Röder mit Blick auf die webbasierten Alternativen.
Das ist jedoch noch nicht alles: Das zweite Rückrad von "eNikCRM" bildet eine integrierte Wissensdatenbank namens "eNikKnowledge". Hier können Vorlagen wie z.B. Musterbriefe, aber auch komplette Gesetzestexte und Dienstvorschriften abgespeichert werden. Vor allem das Servicecenter und die Notrufzentrale erhalten immer wieder telefonische Anfragen, die selbst für erfahrene Mitarbeiter eine Herausforderung darstellen. Künftig soll Schluss mit hektischer Papier- und Google-Suche sein: Mit welcher Diakoniestation kooperieren die Johanniter in Berchtesgaden, und welche Nebenwirkungen hat das Krebsmedikament? Ein Klick in "eNikKnowledge" verrät die Antwort selbst dem unerfahrenen Zivildienstleistenden in Hamburg oder Dresden. Auch aktuelle Sonderaktionen einzelner Verbände, etwa kurzfristige Rabatte oder Preissenkungen, können in der Datenbank abgerufen werden.
Gepflegt wird "eNikKnowledge" nach dem Vorbild der großen Nachrichtenagenturen: Beiträge kann grundsätzlich jeder autorisierte Nutzer verfassen, die jedoch nach dem Vier-Augen-Prinzip noch von einem Administrator gegengelesen und freigeschaltet werden.
Auch wenn die Einführung von "eNikCRM" noch nicht im ganzen Landesverband NRW abgeschlossen ist, ziehen die ersten Verbände bereits eine sehr positive Bilanz. Nach gut 14 Monaten intensiver Tests ins seinem Verband resümmiert Dietmar Link erfreut: "Professionelles CRM mag sich zwar vielleicht nie rechnen, aber es zahlt sich garantiert aus!"
Julian J. Rossig / knowledge incorporated
jj@rossig.net